Donnerstag, 29. März 2012

Ein Präsident und seine Zeit

Quelle: Verlag Ferdinand Schöningh
Die Gratwanderung die ein Biograph historischer Persönlichkeit zuweilen auf sich nimmt, kann bitterlich enden. Stets ist der Verbund zwischen Darstellung der Person und dem historischen Kontext, dem ausgeatmeten Zeitgeist jener Tage zu verquicken. Ganz davon abgesehen, sich in den zu beschreibenden Charakter nicht so sehr zu verlieben, dass am Ende eine Hagiographie entsteht. Ronald D. Gerste nahm den schmalen Grat gekonnt. Er lieferte eine Biographie und ein Zeitgemälde. Nicht nur Franklin D. Roosevelt erwacht nochmals - auch das Amerika, in dem er (politisch) groß wurde, in dem er Präsident war, das er nach langem Anlauf in den Krieg führte, entsteht beim Lesen bildlich. Dabei sollte man sich vom Titel "Roosevelt und Hitler" nicht täuschen lassen - beide werden im Buch nicht nebeneinander gestellt, beide Biographien finden nicht Berücksichtigung. Hitlers Eckdaten werden gemieden, was dem deutschen Leser, seit Jahrzehnten eingedeckt mit Hitler-Biographien, nur zupass kommen kann.

Es wird aus der Sicht Roosevelts berichtet. Das ist für die hiesige Leserschaft historischer Bücher mal etwas, was nicht täglich widerfährt. So durchwandert man die USA der Wirtschaftskrise, versteht plötzlich den Isolationismus der Amerikaner in jenen Jahren und erkennt die innere Zerrissenheit der damaligen Vereinigten Staaten. Gerst berichtet zudem, dass es auch in den USA Sympathisanten Hitlers gab - und das nicht nur beim German-American Bund, einer Nazi-Gruppe in den USA, sondern auch in der hohen Politik. Mancher Ratschlag an Roosevelt in jenen Jahren: Das Verwertbare des Faschismus sollte auch in den USA Einzug finden. Davon war Roosevelt weit weg, aber ein Heiliger, so zeigt uns Gerst, war er mitnichten. Antisemitisch soll er gewesen sein, was aber damals auch in den Vereinigten Staaten nicht ungewöhnlich war, schon gar nicht für einen Mann aus seiner gesellschaftlichen Schicht. Und dass manche Aktion des New Deal tatsächlich autoritär gestaltet wurde und bockige Kleinunternehmer kenntlich gemacht wurden, ist heute verblasst.

"Roosevelt und Hitler" ist trotz allem ein unterhaltsames, weil gut lesbares Buch. Und es belehrt uns in mancher der Legenden, die sich heute, in der populären Aufarbeitung deutscher Vergangenheit, aufgetan haben. So die Mär von den Weltherrschaftsgelüsten der Nationalsozialisten, die korrekterweise aber "nur" den Osten als Lebensraum gewinnen wollten. Um den Kriegseintritt gegenüber den Isolationisten durchzupauken, baute Roosevelt eine Gefahr auf, die sich für die ganze Welt ergeben könnte. Südamerika, so wollte er seine politischen Gegenspieler ängstigen, wäre baldiges Ziel fünfter Kolonnen deutschstämmiger Auswanderer. Dann wäre auch bald die USA nationalsozialistisch - und übermorgen die ganze Welt. Die Legende von der Weltherrschaft, vielleicht eine, die Roosevelt in die Welt setzte.

"Roosevelt und Hitler. Todfeindschaft und totaler Krieg" von Ronald D. Gerste erschien im Verlag Ferdinand Schöningh.



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