Mittwoch, 18. Januar 2012

Kriminalroman, nicht Kriminalromantik

Quelle: Renneritz Verlag
Schaltet man abendlich ins Privatfernsehen, stöbert darin umher, so glaubt man die polizeiliche Arbeit zu kennen. Technologisierte Verfahren, DNS-Analysen, Massengentest, Beamte, für die keine grundgesetzlich fixierten Gebote im Umgang mit Zeugen und Tatverdächtigen mehr gelten. In Teasern bei RTL reißt sich ein rothaariger Ermittler stets gedankenschwanger die Sonnenbrille aus dem Gesicht und erklärt einem Tatverdächtigen, dass die in Windeseile ermittelte DNS gleich Licht ins Dunkle bringen werde und ihn ins Gefängnis - was technisch gar nicht so fix machbar ist, was das in dubio pro reo auf den Kopf stellt. Auf anderen Privatsendern dringen Beamte in Wohnungen ein und drohen Zeugen mit gesetzlichen Lügengebäuden. Kurz und schlecht, wie Polizeiarbeit heute nicht geschieht: ein Blick ins Fernsehen, selbst ein Blick in den Tatort - und man weiß es. Fälle werden durch handfeste Recherche gelöst, sagt Hartmut Finkeldey. Sein Erstling "Ostseeripper: Ein bürgerlicher Kriminalroman" baut auf diese Erkenntnis und unterscheidet sich positiv von all den Kriminalfiktionen, wie wir sie heute kennen.

Nun wäre es witzlos, die Handlung auch nur anzureißen. Krimielemente eben. Es gibt Leichen, einen vermutlichen Serienkiller, es gibt Ermittler... und es gibt Merrit. Keinen Hannibal Lecter übrigens, weil Finkeldey meint, dass Serienmörder keine schöngeistigen Genies sind, sondern "arme Würstchen" - auch das tut der Geschichte gut. Dazu all die Bedenken, die die Polizeiarbeit erschweren - zum Glück erschweren. Eine Massen-DNS-Erhebung soll zwar staatsanwaltlich durchgepaukt werden, bleibt aber nicht unkritisch unkommentiert, wie in jeder Tagesschau-Ausgabe, in der davon berichtet wird, ohne dahinter grobe rechtsstaatliche Mängel zu wittern. Überhaupt sind Finkeldeys Ermittler nicht sonderlich belichtet, Normalos, die sich selbst beim Googeln schwertun - Genies schlachten keine Menschen und sie sitzen halt auch nicht bei der Polizei.

Finkeldey, der übrigens einen Geheimtipp von Weblog führt, "Kritik und Kunst" mit Namen, erzählt mit seinem "Ostseeripper" eine Kriminalgeschichte, die sich auf nichts als die Realität stützt. Kriminalroman nicht Kriminalromantik. Er erzählt mit hoher Souveränität, erzählt zungenfertig. Das erste Kapitel, in dem er die bereits erwähnte Merrit vorstellt, ist von erzählerischer Meisterschaft. Die folgenden Kapitel gestalten sich näher am Genre, sind deshalb aber nicht minder imponierend geschrieben. Dass Finkeldey mit Worten und Sätzen umzugehen weiß, konnte bereits in seinem Weblog inspiziert werden - mit dem "Ostseeripper" hat er bewiesen, dass er es auch auf Papier kann. Er hat den Muff des Genres elegant umgangen und seinem Werk ordentlich Gesellschaftskritik untergehoben. Insofern vielleicht ein klassischer Kriminalroman, eine Kriminalgeschichte im Stile des französischen Kinos der Fünfziger- und Sechzigerjahre, in der der Kriminelle erklärt und nicht nur einfach gejagt wird.

"Ostseeripper: Ein bürgerlicher Kriminalroman" von Hartmut Finkeldey erschien im Renneritz Verlag.


3 Kommentare:

  1. Hab ich mit großem Vergnügen gelesen. Gut geschrieben. Interessante Personen. Kann ich nur weiter empfehlen.
    Gut angelegtes Geld.
    Merci an den Autor für vergnügliche Lesestunden.

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  2. Klickt man auf den amazon-Link, erfährt man "Derzeit nicht auf Lager.
    Bestellen Sie jetzt und wir liefern, sobald der Artikel verfügbar ist."

    Das gilt nur für das amazon-interne Lager, das Buch ist selbstverständlich problemlos verfügbar (auch über amazon, wers denn so braucht - einfach bestellen), kann übrigens auch in jedem Buchahndel problemlos bestellt werden. Finde es schon mehr als seltsam, wie amazon mit den "Kleinen" der Branche umgeht. So, wie es da steht, entsteht für Unbedarfte der Eindruck, das Buch sei derzeit nicht lieferbar...und das stimmt eben nicht. Ich bin nicht der Einzige, der dergestallt in der amazon-Falle sitzt.

    Hartmut Finkeldey

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    1. Wer's bequem von zuhause aus mag, kann das Buch auch direkt beim Renneritz Verlag bestellen. Ich kann nur sagen, es lohnt sich, habs "verschlungen" und nun bleibt mir nichts anderes als es mehrere male zu lesen bis hoffentlich mehr davon erscheint. Interessante Protagonisten!!!

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