Mittwoch, 23. November 2011

Zwischen Schiller und Hitler

Quelle: Fischer Verlage
Schillers Schreibtisch sollte den Endsieg unbeschadet überstehen. So holte man ihn aus dem Weimarer Schillerhaus, lud ihn auf einen LKW und verbrachte ihn einige Kilometer weiter. Neue Anschrift des Möbelstücks: Konzentrationslager Weimar-Buchenwald. Dort sollte er nachgebaut werden. Das Duplikat landete endlich im Schillerhaus, das Orginalstück wurde bombensicher verwahrt. Schließen konnte man das Schillerhaus jedoch nicht, denn Schiller, das war für die braunen Herren der deutscheste aller deutschen Dichter. Schiller war früher Nationalsozialist, wie damals viele hakenkreuzlerische Literaturexperten schrieben. Das Schillerhaus musste als Kirche deutschen Kulturguts geöffnet bleiben - der deutsche Soldat sollte dort besinnliche Augenblicke erleben, um gestärkt an sein unheilbringendes Werk zurückkehren zu können.

Mittwoch, 9. November 2011

Sezierte Liebe



Quelle: Renneritz Verlag

Emotional verstümmelte Gestalten tummeln sich in Houellebecqs Romanen. Sich schwer in andere verliebbare, an Karrierismus nagende, vertrauenslose Seelen, die vermutlich die literarische Figur unserer Zeit abliefern. Jede Epoche bringt literarische Charaktere hervor, die sich aus der Realität greifen lassen. Sie sind dabei Stilmittel. Der Anti-Held, verunsichert und in Liebesdingen rational und wissenschaftlich herangehend, das ist der Charakter der Stunde. Houellebecq trieb ihn auf die Spitze. Matthias Grabow sublimiert ihn in seinem ersten Roman, der für seine Fülle einen viel zu blassen Titel trägt. "Hanna" heißt der und stellt das Ringen einer jungen Liebe dar, die an Realitäten stößt. Wo einst die Macht der Liebe alles unter sich begrub, Hindernisse ausräumte, da bewirkt der emotionale Krüppel nichts mehr. Lediglich zu träumen wagt er, doch sämtliche Barrieren sprengen zu können. Aber ein wirklicher Heros wird er nicht werden.