Donnerstag, 8. Dezember 2011

Leiser Empörer

Quelle: Hanser Verlag
Empörung. So der Titel. So aber auch gegenüber der Schwedischen Akademie. Diese übergeht den Autor geflissentlich Jahr für Jahr - so lautet jedenfalls ein beliebter Vorwurf. Ganz von der Hand zu weisen ist dieser Vorwurf jedoch nicht. Der Akademie deswegen Antiamerikanismus vorzuwerfen, das dürfte Unsinn sein, zumal Philip Roth keinen sehr amerikanischen Schreibstil pflegt. Was man amerikanischen Schriftstellern oft vorwirft, dass sie Handlung, Handlung, Handlung böten, dafür wenig profunde Substanz, dass sie einen stenographischen Stil, einen typischen Capotismus zelebrierten: das alles kann man auf Roth kaum anwenden. Seine Empörung allerdings, die hat amerikanische Wurzeln. Sie ist nicht polternd und lärmend; sie ist still und beschreibend und nötigt dem Leser ab, selbst Empörung zu entwickeln. Dabei erinnert er an John Steinbeck, der ebenfalls nie mit dem Finger auf etwas deutete, sondern seine Leser gleichermaßen beschreibend in die Realität holte - auf dass die sich hernach empören.

"Empörung" also. So lautet einer von Roths Romanen. Es ist die literarische Empörung über vergangene Zeiten. Die amerikanischen Fünfzigerjahre, die Verlogenheit und die dazugehörige repressive Unart, alles zu unterdrücken, was sich nicht in die Masse einpasste - das ist das Sujet von "Empörung". Am Rande des Koreakrieges beschreibt ein junger Mann, was ihm auf der Hochschule ereilt, zwischen ersten sexuellen Abenteuern und einem bigotten Umfeld, zwischen ekelhaften Kommilitonen und selbstherrlichen Lehrern. Der gluckenhafte Vater treibt Marcus, den Erzähler, auf ein fernes College - nach Winesburg, wo Hase und Igel und Bigotterie und Heuchelei sich gute Nacht sagen. Was als Neubeginn ohne Vater geplant war, endete tödlich. Dem Leser ist somit allerdings nicht zu viel verraten, denn Roth teilt ihm bereits nach wenigen Seiten mit, dass der Erzähler im Nichts weilt.

Der Autor erzählt elegant. Es gelingt ihm die Verdichtung von Atmosphäre und souveränem Stil. Er konstruiert ein Fallbeispiel des McCarthyismus, ohne dabei die politischen Rahmenbedingungen so einzuflechten, dass sie als eigentliche Hauptprotagonisten glänzen würden. Lediglich der Koreakrieg schwebt als dumpfe Gefahr, als Menetekel im Hintergrund und taucht die Erzählung in graues Licht. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Roth, obwohl er sich in der amerikanischen Vergangenheit bewegt, damit auch die aktuellen Verhältnisse beleuchtet. Der reaktionäre Religionseifer mancher amerikanischer Eliten, er war jedenfalls damals wie heute eine gefährliche Erscheinung.

"Empörung" von Philip Roth erschien im Hanser Verlag.


1 Kommentar:

  1. Ich mag Philip Roth sehr - und das Buch habe ich noch gar nicht gelesen. Sollte ich wohl in jedem Fall schnell nachholen!

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