Mittwoch, 15. Februar 2012

... und [der] erste Prinz, der ein Weiser ist, und welcher nach Art der alten Weisen reiset."

Quelle: Renneritz Verlag
Eine Rezension von Klaus W. Haupt.

Diese Charakterisierung des jungen Fürsten von Anhalt-Dessau durch seinen Cicerone Johann Joachim Winckelmann macht deutlich, wodurch sich dessen Kavalierstour von anderen unterschied: All die in Rom und Neapel besuchten Gebäude, Kunstwerke und Sammlungen hielt der Architekt Erdmannsdorff in seinem Kunsthistorischen Journal fest. Über die Hälfte des Tagebuches entstand unter dem Einfluss Winckelmanns in Rom. Die ausführlichsten Beschreibungen behandeln Werke der Bildhauerei und Malerei, die später in Dessau-Wörlitz zur Gestaltung von Architektur und Landschaft dienten.

Der zitathafte Titel des Buches von Hirsch/Hirschnitz "Ein Printz, der ein Kayser seyn sollte ..." macht neugierig. Im ersten Teil erfährt der Leser, dass Winckelmanns "Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst" eine Initialfunktion für die Abkehr des Fürsten Leopold III. Friedrich Franz von der Kriegskunst besaßen. Erst nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges konnte die Suite zu der außergewöhnlichen Grand Tour aufbrechen. Der Reformbedarf auf allen Gebieten war enorm. So widmete sich das Reisejournal des Militärschriftstellers Berenhorst in erster Linie der Schilderung gesellschaftlicher und militärischer Aspekte der u.a. durch England und Italien führenden Studienreise.

Im ersten Kapitel des im Renneritz Verlag erschienen Buches schildert Erhard Hirsch die Umsetzung der Reformen des Vordenkers "Vater Franz" im heimatlichen Fürstentum Anhalt-Dessau. Lebenswichtig waren zunächst die Bewältigung des Armenproblems und die Schulreform. Interessanterweise zählten auch gärtnerische und handwerkliche Arbeiten zu den Körperübungen. Die Allgemeine Buchhandlung sowie das Musik- und Theaterwesen trugen zur Belebung des kulturellen Lebens bei. So findet der Leser bereits hier viele Antworten auf die Frage, weshalb der Dessauer "Prinz" ein Kaiser sein sollte.

Nicht zuletzt galten die Gestaltung des klassizistischen Wörlitzer Schlosses sowie eines bis dahin einmaligen Landschaftsparks – seit dem Jahr 2000 UNESCO-Weltkulturerbe - als Inbegriff des guten Geschmacks und dienten zeitgenössischen Besuchern als Vorbild. 1778 schrieb der den jungen Herzog Carl August begleitende Goethe an die Hofdame Charlotte von Stein nach Weimar: "Hier ists ietzt unendlich schön. Mich hats gestern Abend, wie wir durch die Seen, Kanäle und Wäldchen schlichen, sehr gerührt, wie die Götter dem Fürsten erlaubt haben, einen Traum um sich herum zu schaffen. Es ist, wenn man so durchzieht, wie ein Märchen, das einem vorgetragen wird, und hat ganz den Charakter der elysischen Felder; in der sachtesten Mannigfaltigkeit fließt eins in das andre; keine Höhe zieht das Auge und das Verlangen auf einen einzigen Punkt; man streicht herum ohne zu fragen, wo man ausgegangen ist und hinkommt." Die Bauten und landschaftsarchitektonischen Besonderheiten, die Goethe zur Umgestaltung des Parks an der Ilm inspirierten, beschreibt Hirsch sachlich-informativ in einem weiteren Kapitel.

Im zweiten Kapitel macht Kathleen Hirschnitz das Unsichtbare sichtbar: Mehr als 85 Bildnisse des Fürsten Franz vermitteln historische und biografische Kenntnisse und lassen weitere Aufschlüsse über den Charakter des aufgeklärten Fürsten zu. Hirschnitz erläutert, wie zur Legitimation dienende repräsentative Porträts durch Elemente der englischen und frühklassizistischen Malerei abgelöst wurden. Ein Katalog der in ihrer Magisterarbeit untersuchten Bildnisse rundet das aufschlussreiche Buch ab, darunter Anton von Marons Darstellung des Fürsten vor antikisierender Landschaft.

Das Buch "Ein Printz, der Kayser seyn sollte..." ist eine Fundgrube für Leser, die sich selbst ein Bild von dem außergewöhnlichen Regenten machen wollen.

"Ein Printz, der Kayser seyn wollte..." von Erhard Hirsch und Kathleen Hirschnitz erschien im Renneritz Verlag.


1 Kommentar:

  1. Aufgeklärte Fürsten gab es hin und wieder einmal welche... auch der alte Fritz galt zeitweise als "aufgeklärter Fürst"... wirklich aufgeklärte Fürsten hat man aber nie lange regieren lassen, man fürchtete nichts so sehr, wie den Autoritätsverlust! Schon allein deshalb hatte ein Fürst stark, unbeugsam und kriegerisch zu sein, andernfalls erweckte er das Misstrauen in seiner adligen/fürstlichen Verwandtschaft. - Auch Fürst Pückler, bekannt für seine Kunstfertigkeit i.d. Gartengestaltung und für sein literarisches Geschick, war ein wahrhaft aufgeklärter und fortschrittlicher Fürst, hatte aber in der Reichsverwaltung nichts zu kamellen! unter Adligen galt er eher als "Freak" und Außenseiter... leider haben nur wenige Fürsten ihr Land mit Verstand, Umsicht und Menschenfreundlichkeit regiert, Fürst Pückler hat es wenigstens versucht! - Weil der besagte, in Ihrem Buch besprochene Printz offenbar ein Geistesverwandter der wahrlich fortschrittlich denkenden Fürsten und zudem ein hervorragender Landschaftsgestalter war, werde ich mir das Buch zulegen... schon Platon sagte ja, dass wahre Philosophen das Land regieren sollten... aber wo findet man diese? Stattdessen herrschen auch heute unter "Demokraten" die plumpen Maximen eines Machiavelli ubiquitär!

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